Ja, da war mal was… Indirekte Rede… Hm… Hatte das nicht was mit Zitaten zu tun?
JA!!!
Der Deutsch-Papst Wolf Schneider schätzte bereits 1996 und später, 2010, in seinem Buch “Gewönne doch der Konjunktiv”, dass nur noch 100.000 Personen in Deutschland den Konjunktiv korrekt beherrschen und mündlich noch viel weniger, nämlich nur noch ein paar Tausend.
Was hat denn jetzt der Konjunktiv mit der indirekten Rede zu schaffen?
Haltet Euch fest – es gibt sogar zwei Konjunktiv-Formen. Oje…
Fangen wir mal vorne an. Es gibt mehrere Modi (Mehrzahl von “Modus”, Eigenschaftsform eines Verbs), und zwar den 1) Indikativ, das ist die WIRKLICHKEITS-Form “ich spreche/schreibe/singe…”; 2) den Konjunktiv (die MÖGLICHKEITS-Form; der unterscheidet sich in “realis” und “irrealis”, also den der tatsächlichen und der unwirklichen/unmöglichen Form.
Erst mal Konjunktiv I: Mit dem zitiert man jemanden. Meist wird der Konjunktiv I in Zeitungsberichten angewendet wie z. B.: “Der Bundeskanzler sagte, er habe davon nichts gewusst.” Dies ist ein Beispiel für indirekte Rede.
Schwierigkeiten bereiten die konjugierten Formen. Der Konjunktiv verschwindet nach und nach, was eigentlich eine Verarmung der Sprache darstellt. Man könnte auch schreiben oder sagen: ”Der Bundeskanzler sagte, er hat davon nichts gewusst.” Jeder weiß, was damit gemeint ist – aber es ist trotzdem… sagen wir: ungenau.
Aus Unwissenheit oder Schlampigkeit oder “mir doch egal”-Mentalität kommen auch Versionen mit dem Konjunktiv II vor: “Der Bundeskanzler sagte, er hätte davon nichts gewusst.” Was ist das denn jetzt? Das soll falsch sein? Was, bitte schön, ist denn daran falsch???
Das kann ich Euch sagen! Der Konjunktiv II wird angewendet, wenn man annimmt, dass er lügt oder schwindelt. “Sie sagte, sie wäre die Kaiserin von China!” Da allgemein bekannt sein sollte, dass China kein Kaiserreich mehr ist, wird diese Dame als Lügnerin entlarvt.
Nochmal zum Mitschreiben:
Konditional I:
Bettina sagte, sie komme heute nicht zum Klavierunterricht. (Stimmt, sie hat nämlich ein Vorstellungsgespräch zu der Zeit, wo sie üblicherweise Unterricht hätte.)
Kalli hat gesagt, er sei des Verfassens von Artikeln zu sprachlichen Modi nicht mächtig. (Stimmt, er ist Bäcker.)
Konditional II:
Bettina hat doch frech behauptet, sie wäre nicht in der Lage, Klavier zu spielen, dabei habe ich sie erst am Sonntag im Konzert erlebt.
Kalli hat mich angelogen! Er hat gesagt, er wäre des Verfassens von Artikeln zu sprachlichen Modi nicht mächtig, dabei hat Willi mir sein Buch darüber geschenkt!
Was mich immer wundert, ist, dass es so viele Fehler zu diesem sprachlichen Sachverhalt gibt – trotz Tonnen von Webseiten, auf denen alles viel detailverliebter erklärt wird als hier. Johanna sagte, sie habe mit Kopfschütteln reagiert, als sie dieser falsch deklinierten Formen ansichtig wurde. (Schöner Satz, ne?)
Ach ja, und dieser einprägsame Buchtitel von Herrn Schneider: “Gewönne doch…!” Das ist ein Stoßseufzer mit einer ungewöhnlichen Form des Verbs gewinnen. Wer mehr Wörter mit dem i-ö-Wechsel lesen möchte, der lese doch bitte im Wiktionary.org nach!
Oh nein… Sagt jetzt bitte nicht, dass Ihr die Seite nicht kennt…
So, hab‘ gerade mal wieder ein paar Minuten Zeit. i-ö-Wechsel…
ich schwimme – ich schwömme
ich pinsele – ich pönsele (nein, Quatsch!)
Im Bach rinnt Wasser. Im Bach rönne Wasser, wenn es mehr regnete.
Ich finde keine passende Hose! Ich fände eine passende Hose, wenn ich im richtigen Laden wäre… hä? i-ö wollten wir doch! Was ist das jetzt?
Offenbar gibt es noch weitere Vokal/Umlaut-Verbindungen.
Ich nehme diesen Kuchen! – Ich nähme diesen Kuchen, wenn Sahne obendrauf wäre.
Ablautreihe nennt man dieses Phänomen, und in Verbtabellen gibt es Listen dazu.
Wer mal Englisch gelernt hat, wird sich an die “give – gave – given”-, “put – put – put”-Tabellen erinnern. Das sind aber Listen, die was mit den Partizipien zu tun haben, also nicht verwechseln! Listen sind toll, übrigens!
In der Langenscheidt’schen Verbtabelle von 1975 (jaja, ist doch egal!) kann man drei Kategorien nachlesen: die 1-2-3, die 1-2-2 und die 1-2-1. Was bedeutet das? Ich zitiere:
“Nach den Vokalen in drei Verbformen unterscheidet man drei Gruppen:
Präsens Präteritum Partizip
a) drei verschiedene Vokale:
nehmen nahm genommen
b) der Vokal im Präteritum ist gleich dem Vokal im Partizip:
bleiben blieb geblieben
c) der Vokal im Präsens ist gleich dem Vokal im Partizip:
rufen rief gerufen
Es folgen Listen, wer hätte das gedacht.
Zur Gruppe 1-2-3 gehören die Untergruppen “e (ä) – a – o”, “ä – i – a”, “e – i – a”, “i – a – o”, “i – a – u”, “i – a – e” und “ie – a – e”. Na, wird Euch schon schwindelig?
Die dazugehörigen Verben sind: gebären, befehlen, empfehlen, stehlen, nehmen, brechen, sprechen, stechen, gelten, schelten, verderben, werben, sterben, helfen, treffen, bergen, bersten, erschrecken, werfen / hängen / gehen / beginnen, gewinnen, rinnen, sinnen, spinnen, schwimmen / – ah, die hatten wir doch oben… / binden, finden, winden, schwinden, dringen, dingen, gelingen, klingen, misslingen, ringen, singen, springen, schlingen, sinken, stinken, trinken, wringen, zwingen / bitten, sitzen / liegen
Zur Gruppe 1-2-2 gehören die Untergruppen ä – o – o, au – o – o, e – a – a, e – o – o (mit e im Präsens), e – o – o (mit i im Präsens), ei – i – i, i – o – o, ie – o – o (einmal mit offenem, einmal mit geschlossenem o), i – u – u, ö – o – o, u – a – a, ü – o – o
Die dazugehörigen Verben sind: gären / saufen, saugen, schnauben / stehen / bewegen, pflegen, scheren, heben, weben / dreschen, fechten, flechten, melken, quellen, schmelzen, schwellen / beißen, bleichen, gleichen, gleiten, greifen, kneifen, leiden, pfeifen, reißen, reiten, scheißen, schleichen, schleifen, schleißen, schmeißen, schneiden, schreiten, spleißen, streichen, streiten, weichen / bleiben, gedeihen, leihen, meiden, preisen, reiben, scheiden, scheinen, schreien, schreiben, schweigen, speien, steigen, treiben, weisen, zeihen / biegen, bieten, erkiesen (= auswählen), fliegen, fliehen, frieren, schieben, stieben, verlieren, wiegen, ziehen / fließen, genießen, gießen, kriechen, riechen, schießen, schließen, sprießen, triefen, verdrießen, glimmen, klimmen / schinden / sieden / löschen, schwören / tun / lügen, trügen
Zur Gruppe 1-2-1 gehören die Untergruppen a – i – a, a – o – o, a – u – a, ä – i – a, au – ie – au, e [ɛ] – a – e, e – a – e, ei – ie – ei, o – a – o, o – ie – o, u – ie – u
Es gibt auch noch eine weitere Ablautreihe 1 – 2 – 2 mit gemischten Verben:
e – a – a, i – a – a, i – u – u, i – eu – eu
So. Wie das Ganze in Langschrift aussieht, schreibe ich später, wenn ich mal wieder Zeit habe. In der Zwischenzeit könnt Ihr ja selber mal ein bisschen rumprobieren.