Die Fremdsprachenkorrespondenten verschwinden

oder: Wird schon stimmen

Von 1980 bis 1984 machte ich bei der Sprachenschule Siegerland eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Wir waren gefragte Leute. Wir konnten Französisch, Englisch, Italienisch, Spanisch. Wir konnten „Kommas“, wir konnten ganze, verständliche Sätze bilden. Wir konnten Geschäftsbriefe schreiben – kurz und knackig, aber alles war enthalten, was der Chef mitteilen wollte. Wir konnten sogar mal Steno – deutsch, englisch und sogar französisch stenographieren hat mich eine Menge Hirnschmalz und Bleistifte gekostet. Ich habe es im Büro zwar nie gebraucht, hat aber irgendwie einen sportlichen Appeal gehabt, das Stenographieren.

Das hatte was – über Jahrzehnte waren wir gut im Geschäft. Computer würden uns zwar irgendwann mal helfen können, aber wir hatten ja ein Gehirn.

Lange Zeit konnte ich mir die passenden Stellen vom Baum der Zeitungsanzeigen pflücken. Es muss so um 2015 gewesen sein. Da schickte mir jemand einen Link für DeepL und: „Guck mal, du wirst bald arbeitslos.“ Ich testete… und war perplex. Das Tool arbeitete ja richtig gut! Besser als die, die es davor auch schon gab, über die wir Experten wahlweise kicherten oder in haltloses Gelächter ausbrachen. Das sollte eine Übersetzung sein?

Arbeitslos wurde ich dann tatsächlich, zwar nicht nur deswegen, aber… irgendwie auch. Keiner fragte mehr nach Übersetzungen. Als ich mich mit potentiellen Kunden unterhielt, hörte ich: „Ach, den Text schmeiß‘ ich grad in die Webseite, dann kommt binnen Sekunden das fertige Resultat raus…“ „Ja, aber… was machst du denn, wenn noch Fehler drin sind?“ rief ich ängstlich. „Ach, egal, wird schon stimmen.“ Manchen reicht das.

Im Dezember 2022 erfuhr ich von meiner “Kunden”-Betreuerin beim Arbeitsamt auf meine Bitte, mich aus der Kategorie der kaufmännischen Stellen rauszunehmen und stattdessen die Kategorie “Fremdsprachenkorrespondenten”, dass es diese Kategorie gar nicht gibt. Sie könne mich aber in die Kategorie “Bürohelfer” einsortieren.

Ach. Für Helfer gibt es eine Kategorie, bloß für Fremdsprachenkorrespondenten nicht? Ich dachte immer, dass es da einen gewissen Unterschied gibt. Wir können nämlich Fremdsprachen, aber der Bürohelfer nicht zwangsläufig.

Ich fass’ es nicht. Hat Deutschland den Export eingestellt?

Irgendwas müssen die Ersteller der Kategoriensammlung da missverstanden haben. Vermutlich verwenden sie diese quasi unbedienbare Software mit den drei Buchstaben, die seitenweise Akronyme hervorruft und alle Welt nervt. Noch ein Grund mehr, die Finger davonzulassen.

Falls jemand dies liest und eine Fremdsprachenkorrespondentin sucht – hier gibt’s eine. Meldet Euch! Meine Kontaktdaten sind im Impressum.